Social Media und Verlage – zwischen Rock `N`Roll und Lifestyle

Wenn man nach einer Branche sucht, von der es heißt, sie habe die Anbindung an die neuen Medien verschlafen, bzw. noch nicht das richtige Konzept gefunden, wie man mit dem Internet Geld verdienen kann, werden immer wieder die Verlage genannt.

Der Anzeigenmarkt ist eingebrochen, die Leserzahlen gehen in den Keller und für das Ersatzmedium, die Ausgabe auf der eigenen Webseite, will der Konsument nichts bezahlen. Also versuchen viele Verlage den Leser mit sogenannten Teasern zum Kauf der Printausgabe zu locken. Mit ausgewählten und gekürzten Artikeln soll der Geschmack auf Mehr entstehen. Aber auch mit diesen Methoden haben sich die Verlage nicht aus der Krise manövrieren können.

Apps und Social Media im Verlagswesen

Können Apps und die gezielte Durchführung von Social Media Aktionen vielleicht die Lösung bieten? Das Thema App hat bisher nicht so recht gezogen. Die Erstellung kostet viel Geld, der Willen des Kunden dafür ähnlich viel Geld, wie für eine Printausgabe hinzulegen, ist aber eher gering.

Am ehesten profitieren hier wohl noch Leser von ausländischen Zeitschriften, denn hier lohnt sich eine App noch wirklich. Ein Beispiel aus dem Bereich Wohnen und Accessoires ist die amerikanische Zeitschrift „Martha Stewart – Living“, die in den USA $ 4,99 kostet, im deutschen Zeitungshandel für 9,70 € erhältlich ist und im App-Shop lediglich 2,99 € kostet. Und das mit einer beeindruckenden Qualität – wie meine Frau mir bestätigte ;-).

Bis 2013 sollen über 25% der Deutschen mit einem Smartphone oder iPad ausgestattet sein. Vielleicht brauchen diese Neuerungen auch lediglich noch Zeit?

Und wie sieht es mit dem Thema Social Media aus? Um noch einmal zu Martha Stewart zurückzukehren: Bei Facebook gibt es für die Zeitschrift keine eigene Fanseite. Lediglich eine Thailändische Seite mit immerhin über 5.000 Fans, eine Seite zu einer Living Radio Sendung mit über 2.000 Fans und ansonsten jede Menge Wildwuchs. Das eigene Profil der Dame verfügt dagegen über nahezu 230.000 Fans und von hier aus findet man auch Sonderseiten zu den Themen Rezepten, Hochzeit, etc. Die Zeitschrift Living wird aber auch im Internet nur unter der allgemeinen Webadresse von Martha Stewart gepuscht. Zudem wird in einem Stewart Blog sehr aktuell zu diversen Themen berichtet. Auch ein Twitter-Channel ist vorhanden. In den USA wird Social Media bereits wesentlich intensiver gelebt – auch in der Zeitschriftenbranche!

Wie sozial ist Rock `N`Roll?

Und wie sieht es in Deutschland aus? Machen wir doch einmal eine komplette Kehrtwendung. Als alter Rock `N` Roller und regelmäßiger Leser diverser Zeitschriften aus diesem Musikbereich, habe ich mir drei Titel zum großen Social Media Vergleich ausgesucht: „Classic Rock“, „Rock It!“ und „Rocks“.

Nachdem ich alle drei Zeitschriften mehr oder weniger regelmäßig lese, eines vorab: Der Einsatz der neuen Medien ist hier noch in der Anfangs- und Entwicklungsphase. Nur warum? Alle drei Zeitschriften richten sich an ein nahezu identisches Publikum. Neben Stammlesern, die sich nach leicht variierenden Vorlieben herauskristallisiert haben, werden die meisten Käufer wohl dadurch gewonnen, wer zuerst am Markt erscheint.

Alle drei Magazine sind im zwei Monats Turnus in den Läden erhältlich. Wenn man sich die Vorschau für die geplanten Oktoberveröffentlichungen ansieht: „Classic Rock“ am 05.10. sowie „Rocks“ und „Rock It!“ am 19.10. Da ist Stress in den Redaktionen vorprogrammiert!

Somit sollten sich die Redaktionen vielleicht auch einmal die Frage stellen, wie ich Leser stärker an die eigenen Zeitschrift binden kann. Und wie ich meine Leser zwischen den Magazinen mit interessantem Input versorge: Social Media kann das richtige Stichwort sein, denn hier stehen Kundennähe und der Dialog mit dem Rock-Interessierten klar im Vordergrund: Facebookaktionen, Tweeds mit Kurzneuigkeiten, ein Forum für Diskussionen, ein YouTube-Kanal mit den aktuellen Videos der Bands, usw. Es gibt für die drei Zeitschriften unzählige Möglichkeiten Social Media perfekt in ihre Marketingstrategie einzubinden. Ob diese Kanäle auch genutzt werden, möchte ich genauer unter die Lupe nehmen.

“Classic Rock“, „Rock it!“ oder „Rocks“?

Hier ein paar Fakten zu den Zeitschriften und der anschließende Test der Webseiten:

Die Webseite des Classic Rock MagazinsClassic Rock
Gegründet: ???
Auflage: ???
Preis: 5,90 €
Seitenanzahl: 130 Seiten

Die Webseite ist im Blogstil mit regelmäßigen News. Aber wenn bereits auf der Homepage ein nicht angezeigtes Bild auftaucht, ist das alles andere als überzeugend. Auch sonst nur Bilder auf der Homepage. Facebook (422 Fans) ist zwar von der Homepage aus erreichbar, aber sonst sind keine weiteren Social Media Aktivitäten auf den ersten Blick hin sichtbar. Der Disclaimer ist ein toter Link. Der Contact Link verlinkt auf die Homepage und nicht zu einer E-Mail-Verbindung. Die Reviews völlig leer. Keine Mediadaten zu finden. Über diese Seite war ich so entsetzt, dass ich gleich im Firefox alle Links noch einmal geprüft habe, aber ebenso wie unter IE traten hier alle Fehler auf.

Fazit: völlig inakzeptable Webseite!

Webseite des Rock it! MagazinsRock It!
Gegründet: 2000
Auflage: ???
Preis: 4,90 €
Seitenanzahl: 90

Auch diese Homepage ist wie ein Blog gestaltet, allerdings mit nur sehr wenigen Aktualisierungen. Aktiv ist man auf Twitter, MySpace und seit Anfang des Jahres auch auf Facebook (253 Fans). Aber das Profil ist nicht in die Linkbar integriert. Bilder werden durch falsche Verlinkung nicht gefunden, alles wirkt sehr lieb- und leblos. Ich habe keine ebenfalls keine Mediadaten entdeckt. Rock it! wird auf der Seite des Vertriebspartner DPV Network nicht einmal angezeigt. Die Webseite scheint hier eher als Übel, als als Chance zur besseren Kundenbindung gesehen zu werden. Hier sollte man sich wirklich einmal über ein Konzept Gedanken machen!

Fazit: Zwar etwas besser als Classic Rock, aber immer noch sehr ausbaufähig!

Webseite des Rocks MagazinsRocks
Gegründet: Juni 2007
Auflage: 20.000 (2007) – 45.000 (2011)
Preis: 5,90 €
Seitenanzahl: 130 Seiten

Die Seite wurde im letzten Jahr wirklich stark upgedatet. Von einer reinen Imagepage mit einigen Artikelausschnitten hin zu einer Seite mit tollen Features und einer sehr guten Einbindung aller Social Media Elemente: Facebook (903 Fans), MySpace, YouTube-Video des Tages, aktuelle Umfragen, Lesercharts, Spielen, Shop, E-Paper, Newsletter und Forum. Perfekt! So macht das Lesen auch zwischen den Zeitschriften Spaß.

Fazit: Hier hat sich jemand über die Seiten Gedanken gemacht. Super!

Social Media und Verlage

Sicherlich sind sowohl die Zeitschrift „Living“ als auch die Rock Titel nicht repräsentativ für die das ganze Verlagswesen, aber sie zeigen trotz allem, wie man sich erfolgreich im Web bewegen und wie man sich schnell ins Abseits stellen kann.

Vor allem gespannt bin ich, wie lange sich in diesem Verdrängungsmarkt Zeitschriften wie „Rock iT!“ oder „Classic Rock“ halten können, wenn sie dem Leser keinen Mehrwert im Internet bieten können. „Rocks“ zeigt, wie man es richtig macht und wird mit einer gewaltigen Auflagensteigerung von 20.000 auf 45.000 Exemplaren belohnt. Leider lassen sich aufgrund der fehlenden Mediadaten bei „Rock It!“ und „Classic Rock“ hier keine exakten Vergleiche anstellen. Aber 25.000 neue Leser bei „Rocks“ werden nicht vom Himmel gefallen sein!

Kai-Uwe Gutsch
(Follow Me – Der Social Media und Online Marketing Blog)

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